Der Weg in die weite Welt

Wie das Lied den Weg in die Welt fand, ist nicht restlos überliefert. Klar ist aber, dass die Legende der Maus, die den Blasebalg angefressen hat, nicht der Wahrheit entspricht. Es hält sich die Vermutung, dass die alte Orgel am 24.12.1818 nicht funktionierte. Dies ist jedoch nicht belegbar. Bis heute weiß man Folgendes:

In zeitgenössischen Dokumenten weird erwähnt, dass der Klang der alten Orgel die Kirche nicht ausfüllen konnte. Fügen im Zillertal war die Heimat der weit bekannten Orgelbauerfamilie Mauracher. Carl Mauracher war angeblich bereits 1821 bei Franz Xaver Gruber, da er die Orgel in der Wallfahrtskirche Maria im Mösl reparierte. In den Jahren 1824/25 kam er nach Oberndorf, um die alte Orgel durch eine neue zu ersetzen. In dieser Zeit kam er in Berührung mit dem Lied, welches er in seine Heimat mitnahm. Vom Zillertal aus trat es dann einen unglaubliche Weltreise an.

Die bekanntesten Tiroler Nationalsänger, die „Ur-Rainer“, haben das Lied laut lokalen Überlieferungen bereits 1819 in ihr Programm aufgenommen, mit welchem sie durch ganz Europa tourten. 1839 sang die zweite Generation der Ur-Rainer, bekannt als die „Reiner Family“, das Lied am Weihnachtsabend vor dem Alexander Hamilton Memorial im Friedhof der Trinity Church am Ende der Wall Street. So erklang es zum ersten Mal in der neuen Welt. 

Die Handschuhhändler-Famile Strasser aus dem Zillertal verkaufte ihre Waren auf den deutschen Jahrmärkten. Bei dieser Gelegenheit kurbelten die Geschwister die Geschäfte durch das Singen ihrer heimatlichen Lieder an. Am 15. Dezember 1832 gab die Familie in Leipzig ein Konzert, bei dem sie neben anderen auch „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ sangen. 

Damals dürften die ersten Veränderungen an Text und Melodie geschehen sein. Schon nach wenigen Jahren erschien das Lied in vielen Notenbüchern. Oftmals nur mit den Strophen  1, 2 und 6 und teilweise stark abweichen zum Original. Bis heute wird „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ auf einer Vielzahl von Tonträgern und in unzähligen Liederbüchern verbreitet. Die wenigsten davon wie es in der Version von 1818 erklungen ist.

Authentische Veranlassung

Fast auf den Tag genau 36 Jahre nach dem erstmaligen Erklingen des Liedes übermittelte Franz Xaver Gruber seine „Authentische Veranlassung“ an das Benediktinerstift St. Peter in Salzburg. Somit konnte eine Anfrage der königlich-preußischen Hofkapelle in Berlin bezüglich der Schöpfer des Liedes beantwortet werden. Zu dieser Zeit vermutete man eine Kreation von Michael Haydn. Mit diesem Text bestätigte Gruber jedoch die eigenhändige Vertonung des von Joseph Mohr geschriebenen Gedichts und dessen erste Aufführung in der Kirche St. Nikola in Oberndorf am 24. Dezember 1818.

„Authentische Veranlassung
zur
Composition des Weihnachtsliedes
„Stille Nacht, heilige Nacht!“

Es war am 24ten Dezember des Jahres 1818, als der damalige Hülfspriester Herr Joseph Mohr bei der neu errichteten Pfarre St. Nicola in Oberndorf dem Organistendienst vertretenden Franz Gruber (damals zugleich auch Schullehrer in Arnsdorf) ein Gedicht überreichte, mit dem Ansuchen eine hierauf passende Melodie für 2 Solo-Stimmen sammt Chor und für eine Guitarren-Begleitung schreiben zu wollen.

Letzgenannter überbrachte am nämlichen Abend noch deisem Musikkundigen Geistlichen, gemäß Verlangen, so wie selbe in Abschrift dem Original ganz gleich beiliegt, seine einfache Composition, welche sogleich in der Heiligen Nacht mit allen Beifall produzirt wurde.

Herr Joseph Mohr, als Verfasser dieses Gedichtes und mehrerer geistlicher Lieder, starb am 4ten Dezember 1848 als würdiger Vicar zu Wagrein in Pongau.

Franz Gruber, gegenwärtig Chorregent und Organist bei der Stadtpfarrkirche Hallein, der 3te Sohn eines armen Leinwebers zu Hochburg im Jahre 1787 geboren, kam, den Webstuhl verlassend 18 Jahre alt zum H. Georg Hartdobler Stadtpfarr-Organisten in Burghausen in die Lehre und brachte es nach nur drei Monaten lang erhaltenen Unterricht so weit, bei fig. Aemtern den Generalbaß auf der dortigen Orgel spielen zu können.

 

Im Jahre 1806 ging er zum Schulfache und wurde ein Jahr darauf als Lehrer und Meßner bei der Nebenschule Arnsdorf angestellt, versah von dorf aus, als im Jahr 1816 bei der Territorial-Ausgleichung die Vorstadt Oberndorf  von der Stadt Laufen getrennt wurde, mit Bewilligung seiner Obern (in Ermangelung eines passenden Individuums) den Cantors- und Organistendienst zu St. Nicola bis zum Jahre 1829, wo er dann nach Berndorf als Schullehrer befördert wurde.

Im jahre 1833 wurde ihm der bei der Stadtpfarrkirchen  Hallein erledigte Chorregents- und Organistendienst angetragen, welchen er auch auf sein Ansuchen erhielt. Von seinen 12 ehelich erzeugten Kindern leben noch 2 Söhne und 2 Töchter, sämmtlich musikalisch gebildet, wovon der ältere Sohn, welcher als Lehrer bei der k.k. Hauptschule in Hallein angestellt ist, schon mehrere gelungene Compositionen geliefert hat.

Da dieses Weihnachtslied durch einen bekannten Zillertaler nach Tirol gekommen, dasselbe aber in einer Liedersammlung zu Leipzig etwas verändert erschienen ist, so beehrt sich der Verfasser dasselbe dem Originale gleichlautend beilegen zu dürfen.

Hallein, den 30. Dezember 1854

Franz Gruber

Stadtpfarr-Chorregent und Organist“

 

 

 

Das Original der „Authentischen Veranlassung“ liegt im Stille Nacht Museum Hallein